Projekt

Meister der Ressourcenschonung

UMBAU "JUGENDTREFF BALZERS"

Planungsphase: Märze bis August 2025
Umbauphase: August 2025 bis Ende Januar 2026
geplante Neueröffnung Jugendtreffe Scharmotz: Dezember 2025
Umbaugesamtfläche: 235 m²
Auftraggeberin: Gemeinde Balzers

Wie aus Lehrlingen Meister der Ressourcenschonung werden

Was entsteht eigentlich, wenn sich eine engagierte Gemeinde und innovative Unternehmen und Organisationen zusammentun, um gemeinsam etwas für mehr Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Jugendförderung zu tun? In Balzers etwa ein bemerkenswertes Lehrlingsprojekt, bei dem ein altes Gebäude zu neuem Leben erweckt worden ist. – Ein Baustellenbesuch mit inspirierenden Einblicken.

Ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch: ein wolkenloser blauer Himmel und Temperaturen, die dem Hochsommer noch Ehre machen würden. Passend dazu strahlen auch die Gesichter jener Menschen, die sich an diesem Nachmittag in Balzers unterhalb der Burg Gutenberg eingefunden haben. Doch es ist weniger die Freude über das angenehme Wetter als über ein Projekt der anwesenden Akteur:innen aus den unterschiedlichsten Branchen, das diese gerade gemeinsam unter einen Hut – oder besser gesagt: unter ein Dach – bringen.

Konkret geht es um den Umbau der ehemaligen Post in der Rietstrasse, die nach ihrer Schliessung vor vielen Jahren lediglich als Kulturgüterdepot verwendet worden ist, und nun zu einem attraktiven Jugendtreff samt entsprechender Umgestaltung der Aussenflächen umfunktioniert werden soll. Alle notwendigen Arbeiten dafür – vom Architekturbüro über die Baufirma bis zur Gartengestaltung – werden dabei von Lehrlingen geleitet und unter grösstmöglicher Verwendung von bereits gebrauchten Bauteilen durchgeführt.

„Ich habe aus mehreren Gründen eine Riesenfreude mit diesem Projekt“, zeigt sich Gemeindevorsteher Karl Malin begeistert. „Es ist einfach schön, wie durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Gewerbe eine vorhandene Liegenschaft wieder nutzbar und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Und das Ganze im Vergleich zu ähnlichen Projekten im Land auch noch kostengünstig.“

Wie der Gemeindevorsteher ist an diesem Nachmittag auch Bettina Walch zur Baustelle in Balzers gekommen. Gemeinsam mit gleichgesinnten Kolleginnen hat die gebürtige Liechtensteinerin in Zürich das Projekt „Asphaltknackerinnen“ initiiert, das als Generalunternehmen Projekte in Städten und anderen Siedlungsräumen plant und durchführt, in denen versiegelte Flächen wieder entsiegelt und manchmal auch in Grünflächen umgewandelt werden. Am heutigen Tag legt sie selbst Hand an und bricht mit einem elektrischen Abbruchhammer und Stahlkappenschuhen an den Füssen die Asphaltdecke im Eingangsbereich auf.

In einer Arbeitspause skizziert sie kurz den Beitrag ihrer Firma an dem Projekt und die besondere Bedeutung für sie persönlich. „Das ist für uns das allererste Projekt in Liechtenstein, an dem wir uns auch dank der Unterstützung der Hilti Foundation und ihrer Biodiversitätsinitiative supergut beteiligen können“, freut sich Bettina Walch. Beeindruckt zeigt sich die Asphaltknackerin auch vom Einsatz der verschiedenen Akteur:innen: „Man spürt, dass hier jeder und jede bereit ist, die sogenannte Extrameile zu gehen. Ganz abgesehen davon, dass die Organisation und das Zusammenspiel aller bestens klappt.“

Während die roten Abbruchhämmer in den Händen von verschiedenen fleissigen Helfer:innen kraftvoll Meter um Meter der dicken Asphaltschicht aufbrechen, steht einer der massgeblichen Väter des Projekts etwas abseits im Schatten und betrachtet zufrieden die Arbeiten im Aussengelände: Mathias Vogt von Vogt Architekten AG. Beauftragt mit dem Umbau der Liegenschaft kam ihm die zündende Idee. „Ich erkannte bald Synergien und Chancen, die man hier unbedingt nutzen sollte. Da waren zum einen die von Lage bis Raumangebot perfekten Voraussetzungen für einen Jugendtreff in der mehrheitlich leerstehenden Immobilie. Und zum anderen eine Immobilie aus den 1970er Jahren, die aufgrund des Alters, der Ausstattung und auch des architektonischen Wertes ein klares Ablaufdatum hat und daher sinnvollerweise ohne grosse und teure Investitionen nur noch temporär genutzt werden sollte“, schildert der Balzner Architekt.

Als Mitglied der ersten Stunde in der Kerngruppe von ZirkuLIE– und damit Verfechter für ein zirkuläres und ressourcenschonendes Bauen – kam Mathias Vogt noch ein anderer Auftrag seines Architekturbüros gerade recht: ein nur wenige hundert Meter entfernter Neubau an jener Stelle, wo früher das Restaurant „Riet“ seine Gäste bewirtete. Im Zuge des Rückbaus konnte man so auf kurzem Wege unzählige wertvolle Bauteile wie etwa Küche, Eingangstür oder einzelne Holzelemente retten, die nun im Jugendtreff zu neuem Leben erweckt werden. „All diese Voraussetzungen eigneten sich letztlich perfekt für ein spannendes Lehrlingsprojekt, bei dem die noch in Ausbildung befindlichen Jugendlichen auf den verschiedensten Ebenen enorm viel lernen können“, fasst Mathias Vogt seine Beweggründe zusammen.

Einen dieser engagierten Jugendlichen fand der Architekt gleich im eigenen Büro und übergab ihm die verantwortungsvolle Projektleitung: dem 18-jährigen Fabrizio Rotunno, als Zeichner EFZ Architektur in seinem letzten Lehrjahr. Seither ist dieser Dreh- und Angelpunkt auf der Baustelle und koordiniert die Arbeiten. „Als mir diese Aufgabe übertragen wurde, empfand ich zunächst gleichermassen Freude wie auch Respekt. Von Anfang an stand und steht mir aber von unserem Büro John Gulli als Coach mit Rat und Tat zur Seite, der ja auch die Umbauten und die architektonische Innengestaltung geplant hat“, erklärt der angehende Zeichner.

Herausfordernd sei für ihn vor allem zu Beginn die Planung und Kommunikation gewesen. „Man muss schnell lernen, was und mit wem im Vorfeld alles besprochen und abgeklärt werden muss. Zum Glück kommuniziere ich ja immer auf Augenhöhe, weil auch bei allen kooperierenden Firmen Lehrlinge mit ihren jeweiligen Coaches meine direkten Ansprechpersonen sind. Das macht es etwas weniger stressig“, schmunzelt Fabrizio Rotunno, ehe er wie aufs Stichwort ins Freie zu einer Unterredung betreffend Aussengestaltung gerufen wird. Dort warten bereits Marco Willi und dessen Lehrling Emanuel Meier von der beauftragten Willi Gartengestaltung AG, um mit ihm über riesige Faltpläne gebeugt noch wichtige Details sowie Termine abzustimmen.

Hier, im hinteren Bereich der Liegenschaft, wo man derzeit noch über feuchte Erde schreitet, soll später eine Holzterrasse mit viel Grünfläche rundherum entstehen. Nur eine bereits montierte Markise deutet auf den späteren Sitzbereich hin. Eine der vielen Bauteile, die aus dem ehemaligen Restaurant „Riet“ stammen und im Jugendtreff eine Wiederverwendung erfahren. Ein ganz wesentliches Grundprinzip, das sich durch das gesamte Projekt zieht, und auch von ZirkuLIE, dem Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft in Liechtenstein, unterstützt wird.

Auch dessen Projektleiterin Clarissa Rhomberg ist heute in Balzers und zeigt sich von den Fortschritten auf der Baustelle sichtlich angetan. Mit Blick auf die zügig vorangehenden Arbeiten vor Ort präzisiert sie, welchen Beitrag ZirkuLIE für das Lehrlingsprojekt leistet: „Wir übernehmen konkret zwei Aufgaben: Wir dokumentieren und begleiten das gesamte Projekt medial und helfen zudem vor allem in der Person von Simon Egger aktiv bei der Bauteilsuche. Das meiste davon kommt in diesem Fall aber ohnehin auf kurzem Wege aus dem Rückbau des nahen Restaurants. Ein paar Stücke stammen aber auch aus unserem Bauteillager in Triesen.“

So greift man etwa bei der Gartengestaltung auf diesen gut sortiertem Fundus zurück. „Im Grünbereich hinter dem Gebäude funktionieren wir alte Betontröge aus dem ZirkuLIE-Lager zu Hochbeeten um“, erzählt Marco Willi. „Vom Restaurant ,Riet‘ konnten wir ausserdem ein paar Pflanzen retten und hierher umpflanzen. Frei nach dem Motto: Nicht verschwenden, wiederverwenden.“ Auch Marco Willis Firma ist vor Ort mit einem Lehrling vertreten, der unter anderem den kompletten Bepflanzungsplan entwarf. „Die ehemalige Wartebucht für Postautos vor dem Haus wandeln wir in eine ökologisch wertvolle Magerwiese um. Auf den übrigen Aussenflächen kommen ebenso ausschliesslich einheimische Pflanzen, die für Vögel, Wildbienen und andere Insekten wichtige Nahrung und Lebensraum bieten und auch zu echten Hinguckern werden sollen“, verrät Emanuel Meier, der sich mittlerweile bereits in seinem letzten Lehrjahr als Gärtner befindet. Auch er ist vom Projekt begeistert: „Eine tolle Erfahrung für mich, weil ich hier auch viel ausprobieren darf. Und wo und wann darf man das schon als Lehrling?“

Langsam lichtet sich an diesem Freitagnachmittag die Baustelle und die einzelnen Handwerker:innen reinigen und verräumen bereits ihre Gerätschaft. Im Inneren des Gebäudes sind noch die beiden Lehrlinge von der Meisterbau AG mit letzten Handgriffen beschäftigt. Gemeinsam haben sie die letzten fünf Wochen damit verbracht, das Erdgeschoss und Teile des Aussenbereiches umzubauen. „Unter anderem demontierten wir die Gipsdecke, mauerten den Durchgang zum Kulturgüterdepot zu und entfernten auch Wände“, deutet der 18-jährige Natanael Kalberer mit dem Finger quer durch den nun grosszügig offenen Aufenthaltsraum. Sein um ein Jahr jüngerer Kollege Leon Büchel ergänzt: „Wir haben praktisch aus einem alten Gebäude ein neues gemacht. Und dabei sogar noch altes Zeug wiederverwendet.“ Für beide waren es bisher besonders intensive, aber absolut wertvolle Arbeitswochen, durfte man doch letztlich „wie ein Polier“ eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen.

Mittlerweile ist Fabrizio Rotunno noch für einen letzten Rundgang vor dem Wochenende ins Gebäudeinnere gekommen. Man merkt dem jungen Zeichner deutlich an, dass er dieses Projekt längst zu seinem eigenen gemacht hat und in die Aufgabe hineingewachsen ist. Stolz zeigt er auf Visualisierungen seines Architekturbüros, die an der Wand kleben und veranschaulichen, wie die Innenräume einmal aussehen werden. „Hier sieht man unter anderem, dass wir statt fixe Wände Vorhänge als Raumteiler verwenden oder die Schutzgitter von den Aussenfenstern zu dekorativen Deckenelementen umfunktionieren werden“, erklärt er das Innenraumkonzept.

„Dieses Projekt hat eindeutig meinen Horizont erweitert. Etwa wie man ältere Gebäude noch sinnvoll nutzen kann und wie viel man nicht einfach in die Mulde kippen, sondern noch als Bauteil wiederverwenden sollte. Und abgesehen davon hat mich die Arbeit hier noch mehr für meinen Beruf begeistert“, beschreibt der 18-jährige Projektleiter seine Erfahrungen. Besser und schöner lassen sich wohl kaum auch die wichtigsten Ziele des Balzner Lehrlingsprojekts zusammenfassen.

Am Umbau beteiligte Firmen (alphabetisch):

- Asphaltknackerinnen
- Meisterbau AG
- Vogt Architekten AG
- Willi Gartengestaltung AG

Beratend und unterstützend tätig (alphabetisch):

- Hilti Foundation, Initiative supergut
- ZirkuLIE - Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaft in Liechtenstein

Wiederverwendete Bauteile

Ein Grossteil stammt aus dem Rückbau des im Sommer 2025 geschlossenen Restaurants „Riet“ in Balzers, u.a. (Auszug, alphabetisch):

- Beleuchtungskörper
- Eingangstür
- Fluchtwegkennzeichnungen
- IV-Toilette inkl. Halterungen
- Holzboden-Terrasse
- Küche aus Chromstahl
- Markise
- Pflanzen
- Plattenreste
- Sichtschutzwände (werden zu Holzbänken umgebaut)

Zudem stammen noch folgende Bauteile direkt aus dem alten Postgebäude selbst, anderen Rückbauten bzw. dem Bauteillager von ZirkuLIE (Auszug, alphabetisch):

- Blumentöpfe aus Beton (werden zu Sitzbänken im Aussenbereich umgebaut)
- Fenstergitter (werden zu Deckenelementen im Jugendraum umfunktioniert)
- Hochschränke (von Gemeinde Balzers)
- Küchenschränke

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