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Ein Leuchtturmprojekt für die Gemeinde und das ganze Land

Datum
26. November 2025

Bettina Walch ist Journalistin, Moderatorin und Asphaltknackerin – ihr Ziel: die Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Ein Projekt, das sofort ihre Aufmerksamkeit gewinnen konnte, ist der Umbau des ehemaligen Postgebäudes in Balzers für den Jugendtreff Scharmotz. Im Interview erklärt sie, weshalb solche Projekte wichtig für die Gemeinde, aber auch für das ganze Land sind.

Frau Walch, wie ist die Idee zu den Asphaltknackerinnen entstanden und wer steckt dahinter?

Ich hatte vor einigen Jahren beim SRF die Leitung für ein Biodiversitätsprojekt. Dabei habe ich meine heutige Geschäftspartnerin Isabella Sedivy kennengelernt und wir haben vor rund viereinhalb Jahren unser Unternehmen «Plan Biodivers» gegründet. Bei einem Auftrag haben wir für den Kanton Aargau Social-Media-Posts zum Thema Klima und Biodiversität erstellt und einer der Posts, «Der entsiegelte Parkplatz», ging viral. So haben wir gemerkt, dass das Thema brennt. Zur gleichen Zeit gab es bei der Stadt Zürich einen Wettbewerb für Klimaprojekte, da haben wir unsere Idee eingegeben, dass wir private Flächen entsiegeln wollen. Wir haben gewonnen und seither gibt es die Asphaltknackerinnen.

 

Wie beschreibt ihr kurz und knapp, was Asphaltknackerinnen tun?

Der Klimawandel und seine Folgen sind real und wir Menschen spüren das schon jetzt und in Zukunft noch mehr. Auch in kleineren Städten wird es schon heute im Sommer immer wärmer, weil unsere Böden wegen der Gebäude und Strassen stark versiegelt sind. Gleichzeitig kann deswegen das Regenwasser nicht mehr ablaufen – drückende Hitze und Hochwasser sind die Folgen. Und dem wollen wir entgegenwirken. Im Grunde bringen wir Menschen und Unternehmen zusammen. Wir fahren nicht selbst mit dem Bagger auf, sondern helfen Kantonen, Städten und Privatpersonen bei der Entsiegelung von Flächen und kümmern uns um die fachgerechte Entsorgung des Materials.

Ein Jahr lang haben wir das gemacht und wir konnten mehr Flächen entsiegeln und Asphalt entsorgen als gedacht. Aufgrund unseres Erfolgs haben wir es geschafft, die Mobiliar Genossenschaft als Partnerin zu gewinnen, sie investiert viel Geld zur Umsetzung des sogenannten Schwammstadt-Prinzips in Schweizer Gemeinden und wir sind nun Teil von diesem Engagement.

 

Warum sollte man Biodiversität und Bauwirtschaft zusammendenken?

Bauen hat einen riesigen Einfluss auf viele Bereiche und natürlich auch auf die Biodiversität. Der Flächenfrass ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Begriff: Wir bauen immer grösser, brauchen immer mehr Quadratmeter zum Wohnen und Arbeiten, dadurch werden immer mehr Flächen versiegelt. Im Grunde kann jeder, egal ob die öffentliche Hand oder ein privater Bauherr, bei seinem Bauprojekt die Biodiversität berücksichtigen und mitdenken. Eine begrünte Fassade oder ein bepflanztes Dach, ein gepflasterter Vorplatz statt Asphalt – all das sind Entscheidungen, die ein Bauherr trifft. Und es geht nicht nur um den oberirdischen Gebäudeteil, auch wie unterirdisch gebaut wird, hat einen wesentlichen Einfluss. Grundwasserflüsse werden durch das Bauen beeinflusst, umgeleitet, verdrängt – dabei wird oft vergessen, dass das Grundwasser die Basis von allem ist. Deshalb spielt das Bauen eine wichtige Rolle auch in Bezug auf Biodiversität, der Impact ist riesig. Und jeder Bauherr sollte sich dessen bewusst sein. Das Schöne ist, dass die Biodiversitätsförderung nicht nur konkrete Auswirkungen auf die Lebensqualität und ein angenehmeres Mikroklima hat, sondern deren Effekte auch sofort sichtbar sind. Wer seinen Bau bepflanzt, seinen Garten richtig pflegt oder Flächen nicht versiegelt, sieht unmittelbar Ergebnisse. Das Gebäude und die Flächen werden zum Lebensraum, es gibt mehr Schmetterlinge, Bienen, Vögel und Kleintiere.

 

Was war euer Beitrag beim Jugendtreff Projekt in Balzers und warum ist es für dich besonders?

Ursprünglich bin ich zwar aus Vaduz, aber mein Schatz kommt aus Balzers und so bin ich seit 20 Jahren regelmässig hier, wir haben hier Familie und Freunde. Die Gemeinde liegt mir sehr am Herzen und als Clarissa Rhomberg von ZirkuLIE und John Gulli von den Vogt Architekten bei einem Anlass der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein mit diesem Projekt auf mich zugekommen sind, habe ich sofort zugesagt. Ich wollte schon immer etwas in Liechtenstein realisieren und war gleich Feuer und Flamme dafür. Ich habe mir das Projekt angeschaut und fand es toll – auch weil es sozialen Lebensraum schaffen soll. Mit Clarissa Rhomberg hatte ich bereits vor ein paar Jahren zu tun und war Teil der Workshops für die Entstehung ihres Projekts ZirkuLIE. Es freut mich ungemein, was für innovative und zukunftsfähige Ansätze und Projekte in Liechtenstein entstehen und ich bin jedes Mal sehr stolz darauf, was unser kleines Land an Nachahmenswertem hervorbringt. Die Idee, den Lernenden verschiedener Betriebe diese Möglichkeit zur konkreten Umgestaltung der alten Post in Balzers zu geben, fand ich mega. Wir haben uns also schnell verstanden und sind übereingekommen, dass wir das Projekt als Asphaltknackerinnen begleiten und dafür als Leuchtturmprojekt für unsere Webseite dokumentieren.

Wir möchten ein breites Netzwerk in unterschiedlichen Regionen aufbauen, um der Natur mehr Platz zu schaffen, und der Jugendtreff in Balzers ist ein wunderbarer Start für uns. In den vergangenen Wochen haben wir mit angepackt und durften beim Entsiegeln helfen, das macht ja auch Spass – auch wenn es streng ist. Ende Oktober wird neu bepflanzt und dann werde ich sicher auch wiedervor Ort sein.

Es ist super, dass dieses Pilotprojekt als Lehrlingsprojekt gestartet ist und dass die Gemeinde Balzers dies so wunderbar unterstützt. Ich nehme auch hier viel mit und es freut mich, dass ich mit meinem Wissen einen kleinen Teil zum Gelingen beitragen kann.

 

Welche nächsten Projekte oder Visionen habt ihr für die Asphaltknackerinnen?

Es wäre natürlich schön, wenn sich aus dem Projekt in Balzers weitere Folgeprojekte in Liechtenstein ergeben würden, wenn Unternehmen oder Gemeinden auf uns zukommen und mit uns Flächen entsiegeln möchten. Aber auch sonst gibt es noch viel Arbeit für uns.

Es gibt zwei grössere Player in Deutschland und einige in Österreich, die uns immer wieder anfragen und mit uns Projekte realisieren wollen. Bislang ist es noch nicht dazu gekommen – wir sind ein kleines Unternehmen und es wäre einfach zu weit weg. Aber die Idee, die Asphaltknackerinnen auch in Deutschland und Österreich bei der Arbeit zu sehen, wäre schon sehr cool. Ich muss mir noch überlegen, wie wir das schlau umsetzen könnten. Ansonsten freue ich mich über alle Kantone, Städte und Gemeinden, die den Mehrwert unserer Arbeit schätzen und uns um Unterstützung anfragen. Wir lernen bei jedem Projekt dazu und können uns neues Wissen aneignen. Deshalb finde ich auch die Zusammenarbeit mit Tiefbauämtern besonders spannend. Das Wissen vom unterirdischen Raum und das Management all der Leitungen für unsere Infrastruktur fasziniert mich. Im Grunde freut es mich, wenn wir mit unserem Projekt etwas dazu beitragen können, das Leben zu verbessern. Und wenn immer mehr Menschen den Themen Klima und Biodiversität offen gegenüberstehen, haben wir schon einen kleinen Erfolg erzielt.

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INTERVIEW: ANDREAS LATERNSER
BILD: JULIAN KONRAD