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Bericht Circular Café Uni

Datum
14. Juni 2023

Zirkuläre Ideen am Prüfstand

Im Rahmen des von der Universität Liechtenstein in Kooperation mit der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein initiierten Wissenstransferprojekts (WTT) Circular Café präsentierten angehende Architekt:innen ihre Projektideen in Sachen zirkuläres Bauen. Wir haben zwei Studentinnen dabei etwas genauer über die Schulter blicken dürfen.

Das Setting ist erfrischend einfach, offen und einladend. Nicht etwa ein versteckt liegender Lehrsaal, sondern das sonnendurchflutete, mit zwei Reihen luftig bestuhlte Foyer im ersten Stock der Universität bilden den Rahmen für die heutige Abschlusspräsentation. Sandeep Gill und Sabrina Münzer sind vor Ort gerade dabei, ihre Entwurfspläne und ein von ihnen angefertigtes, detailgetreues 3D-Modell auf einem kleinen Sockel ins rechte Licht zu rücken, um ihre Projektidee kurz und verständlich zu veranschaulichen: ein Wandermuseum für Liechtenstein, das möglichst zur Gänze aus bereits verwendeten Bauteilen konstruiert und gebaut werden kann.

Die Endpräsentation der beiden Architekturstudentinnen aus Vorarlberg vor ihren Lehrbeauftragten Luis Hilti und Saikal Zhunushova sowie hochkarätigen Kritiker:innen und Gästen ist eine von insgesamt vierzehn Präsentationen, die heute hier an diesem warmen Junitag über die offene Bühne gehen. Die Vorbereitungen dafür begannen bereits Anfang des Jahres. „Wir haben damals vom Studienleiter erfahren, dass sich unsere Semesterarbeit um zirkuläres Bauen drehen soll“, erinnert sich Sabrina Münzer. „Ein Thema, das uns im Masterstudium natürlich bereits mehrfach begegnet ist, aber noch nie in einer so konkreten Aufgabenstellung: Wie kann ich Zirkularität mit Hilfe von mobiler Architektur und unter Verwendung von bereits verwendeten Bauteilen vermitteln?“

Die beiden, im vierten Semester im Architekturmaster befindlichen Studienkolleginnen waren sich rasch einig, den Menschen das zukunftsweisende Thema über die Kunst näherbringen zu wollen. „Wir wollen niemanden zu etwas zwingen oder gar überrennen. Daher setzen wir bei der Vermittlung bewusst auf die Kunst, die Menschen sowohl emotional als auch über das Unterbewusstsein anspricht“, ist Sandeep Gill überzeugt. Was folgte, war ein erstes Konzept eines Wandermuseums, mit dem sich die beiden nach rund vier Wochen einer Zwischenkritik stellten. Mit durchwegs positiven, bestärkenden Reaktionen. „Dieses erste Feedback hat uns motiviert und wir haben wirklich sehr viel Zeit und Energie in die Ausarbeitung gesteckt“, verrät die 27-jährige Feldkirchnerin.

Ein Aufwand, den man der heutigen Endpräsentation auch deutlich ansieht. Auf professionell aufbereiteten, grossformatigen Plänen und anhand eines sehr detailgetreuen 3D-Modells führen die beiden durch das gemeinsame Projekt: von ihrer Grundüberlegung, bei der Vermittlung von zirkulären Inhalten bewusst auf die Kunst zu setzen, über konkrete Einsatzmöglichkeiten, Projektpartner:innen und Aufstellungsorte des Wandermuseums in Liechtenstein bis hin zur architektonischen Umsetzung und den dafür nötigen Bauteilen, die fast zur Gänze von einer Basler Bauteilbörse bezogen werden können.

Die anschauliche Präsentation im Foyer spricht offenbar auch zufällig vorbeikommende Studienkolleg:innen und Universitätsmitarbeitende an. Spontan machen einige von ihnen Halt oder setzen sich auf freie Stühle, um den Ausführungen zu lauschen. Etwa als Sabrina Münzer über Zielgruppe und Ausrichtung des Wandermuseums referiert: „Wir wollen den Fokus zunächst auf Sekundärschulen legen und danach auch Synergien mit anderen Bildungsstätten und frequentierten Kunsträumen im Land nützen.“ Das in seiner Grundform gut transportfähige, containergrosse Wandermuseum ist am jeweiligen Aufstellungsort variabel erweiterbar und kann gezielt für Workshops, Wettbewerbe oder auch Ausstellungen verwendet werden. „Sowohl für den Schulbetrieb als auch – bereits etwas weiter gedacht – für etablierte Künstler:innen, die ihre Werke aus recycelten Materialien fertigen“, präzisiert die gebürtige Bregenzerin. Eine kleine Kücheneinheit wurde bei der Planung bereits eingeplant. Das benötigte Wasser käme aus einem Tank, der Strom von einer auf dem Dach integrierten Solaranlage. Der Einsatzzeitraum des Wandermuseums ist zudem auf etwa Mitte Februar bis Mitte November beschränkt, da der funktionell einfache Bau mit seinem Holztragwerk und schlichter Fassade über keinerlei Dämmung oder gar Heizung verfügt.

Die Präsentation ist zu Ende. Nun sind die Kritiker:innen am Wort. Als erster meldet sich Daniel Blum, der als Architekt in Basel und Dozent an der Münster School of Architecture tätig ist. Ohne Umschweife lobt er neben dem sehr konsistenten Aufbau der Projektidee auch deren „schlauen Ansatz“, Bildungsstellen als Adressaten und Kooperationspartner von Anfang an miteinzubeziehen. Ein offenes Fragezeichen stellt für ihn lediglich dar, ob sich das Thema Zirkularität über die unterschiedlichen, künstlerisch freien Zugänge auch tatsächlich immer gut transportieren lassen kann. „Und aus rein architektonischer Sicht würde ein solches Leuchtturmprojekt vielleicht noch etwas mehr Strahlkraft statt Pragmatismus vertragen“, beschliesst der Architekt seine Ausführungen.

Als nächster meldet sich Stephan Mäder zu Wort, der unter anderem als Direktor des Departements Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesens sowie Hochschulleitungsmitglied der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur tätig war. Er sieht die Vorteile in der nun vorliegenden, funktionell einfachen Lösung und rät den beiden Studentinnen lediglich, sich für die technische Umsetzung noch Anleihen bei artverwandten Branchen solcher Bauweisen – etwa bei Schiffs- oder Messebau – zu nehmen.

Barbara Buser, die gerade im Bereich Wiederverwendung von Bauteilen sowie der Umnutzung von Gebäuden seit mittlerweile drei Jahrzehnten projekterfahrene Architektin, blickt von ihren Aufzeichnungen hoch und lächelt die beiden Studentinnen freundlich an: „Die Präsentation und Aufbereitung von euch war wirklich top. Die Aufgabenstellung habt ihr beide wirklich grossartig erfüllt. Und aus eigener Projekterfahrung kann ich euch nur sagen, dass der Kunstansatz gut gewählt ist, um in ein so komplexes Thema wie Zirkularität einzusteigen. Finde ich toll.“ Sabrina Münzer und Sandeep Gill nicken dankbar. Beiden gab gerade die erfahrene Architektin bereits während der Projektentwicklungsphase wertvolle Hinweise und Inputs: etwa als es um den Kontakt und das Angebot von Bauteilbörsen ging, mit denen Barbara Buser bereits mehrfach erfolgreich zusammengearbeitet hat. Leichte Kritik kommt auch von ihr nur hinsichtlich der architektonischen Lösung: „Da würde ich mir eine Weiterentwicklung wünschen, die sich wieder mehr an jener Variante orientiert, die ihr bei der Zwischenkritik präsentiert habt.“

Als letzte ergreift noch kurz Clarissa Rhomberg Projektleiterin der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein das Wort. „Es hat wirklich Spass gemacht, euch heute hier zuzuhören und zuzusehen. Für unsere Stiftung ist euer Projekt ein wertvoller Baustein, wie man Zirkularität sichtbar machen kann. Und wenn ich euch noch einen Input geben darf: Auch wenn wir in unmittelbarer Umgebung leider bis dato keine Bauteilbörse wie etwa die IBS in Basel haben, so würde ich dennoch versuchen, in den möglichen Realisationsschritten eng mit regionalen Firmen zu kooperieren“, wünscht sich die Projektleiterin Zirkularität und Nachhaltigkeit auch in der Wahl von kurzen Wegen.

In Sachen Umsetzung der ein oder anderen, heute präsentierten Projektidee verfolgt man von Seiten der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein eine klare Strategie. Nicht zuletzt auf Anregung von Barbara Buser werden die einzelnen Projekte nochmals unter die Lupe genommen, um diese – oder auch nur Teilideen oder neue Kombinationen daraus – in sogenannten „match-making“-Prozessen mit Werkhöfen, Gemeinden, Initiativen oder auch Unternehmen zusammenzubringen. „Aktuell ist unser vorrangiges Ziel, das Thema ‚Zirkuläres Bauen‘ sichtbar zu machen und die Aufmerksamkeit dafür zu verstärken. Und dafür stellen wir unser Netzwerk und unsere Ressourcen zur Verfügung“, fasst Clarissa Rhomberg die weitere Vorgangsweise zusammen.

Während man sich im Foyer bereits der nächsten Präsentation widmet, haben sich die beiden Studentinnen in ein ruhiges Eck im Eingangsbereich der Universität zurückgezogen. Wie ist denn das Befinden jetzt, so kurz nach der gelungenen Endpräsentation? „Grundsätzlich sind wir mit unserer Arbeit absolut zufrieden, auch wenn sich nicht alles nur positiv angehört hat“, resümiert Sandeep Gill. „Aber jeder einzelne Kritikpunkt war konstruktiv und wertvoll – und hat uns und das Projekt letztlich weitergebracht.“ Von ihrem zukünftigen Berufsweg haben die beiden angehenden Architektinnen unisono klare Vorstellungen: „Diese so intensive und praxisnahe Projektarbeit hat jeder von uns etwas eindeutig vor Augen geführt: Wir wollen unbedingt weiterhin im Bereich ‚Grüne Architektur‘ – also für eine nachhaltige, energieeffiziente und langlebige Architektur – arbeiten und uns darin weiterbilden. Und am besten nach dem Studium dafür noch möglichst viel Erfahrung auf der ganzen Welt und in unterschiedlichen Kulturen sammeln.“ – Sieht also ganz danach aus, als ob das Thema „Zirkuläres Bauen“ schon heute zwei neue, starke Botschafterinnen gewonnen hat.